27.08.2014  Tasch Rabat
Nach einer kalten Nacht am Chatyr Köl, wir haben das WoMo seit mehr als 2 Monaten wieder einmal beheizt, verlassen wir den Ort früh morgens. Der Himmel ist noch bedeckt und es hat in der Nacht kurz geregnet.
Nach etwa 50 km erreichen wir die letzte kirgisische Grenzkontrolle, wo wir wieder aussteigen müssen um die Pässe vorzuweisen. Nur Dank Emils Bemühungen und Geld das floss, konnten wir innerhalb des Grenzbezirks übernachten. Sonst soll hier sogar das unnötige Anhalten verboten sein. In Kirgistan ist mit Geld viels (alles?) möglich!

Wir fahren auf der alten Seidenstrasse, welche auch heute noch eine wichtige Transitverbindung zum Westen bildet. Inzwischen wird sie unter chinesischer Führung ausgebaut und asphaltiert. Dies geschieht streckenweise, was zur Folge hat, dass wir einmal ein paar Kilometer auf der planierten Schotterstrecke fahren, dann wieder auf die alte, ausgefahrene und löchrige Strasse wechseln müssen. So fahren einmal mit 50, dann wieder mit 20 kmh.
Etwa 30 km nach der Grenzkontrolle geht eine schmale Naturstrasse rechts weg und führt uns nach Tasch Rabat. Der Weg führt durch ein wunderbares Tal und obwohl wir nur mit 20 fahren können, wird es uns keinen Moment langweilig. Die Bergwelt zieht uns in ihren Bann.

Tasch Rabat ist eine gut erhaltene ehemalige, aus dem 15. Jahrhundert stammende Karawanserei im Gebiet Naryn. Der Name bedeutet „Steinerne Herberge“. Nach einer kurzen Einführung durch Emil über die Bedeutung und Geschichte der Karawanserei besuchen wir diese.
Back
Next
Back
Next
Back
Next
Der aus Bruchstein gemauerte, eingeschossige und festungsartige Bau ist teilweise in den hier flachen Berghang gebaut, und es soll an der Hangseite einen oder mehrere Fluchttunnel gegeben haben. Die Einstiege sind noch heute sichtbar, aber verschlossen. Im Inneren ist der Bau in mehrere, teilweise untereinander verbundene Räume und Kammern unterteilt, die um einen zentralen Flur und einen daran anschliessenden, von einer Kuppel überwölbten ehemaligen Gebetsraum gruppiert sind. In der Mitte der dem Tal zugewandten Seite der rechteckigen Anlage befindet sich der einzige Eingang durch ein spitzbogiges Portal in einem massiven, vorspringenden Torbau, der den Rest der Anlage (ausgenommen die Kuppel) überragt. An beiden Ecken der Talseite stehen runde, den Hauptbau nur unwesentlich überragende Türme. Das flache Dach ist von einer knapp brusthohen Mauer umgeben.
Es heisst, die Karawanserei sei an der Stelle oder auf der Grundlage eines einstigen, im 9. oder 10. Jahrhundert nach Christus errichteten Nestorianischen Klosters gebaut worden, als mit christlichen Händlern auch deren Religion entlang der Seidenstrasse bis zu den Uiguren im heutigen Xinjiang Ausbreitung fand, dann aber unter Timur Lenk (Tamerlan) und den Timuriden im 14. Jahrhundert in Zentralasien praktisch vollständig vernichtet wurde. Laut einer anderen Version soll es sich ursprünglich um ein buddhistisches Kloster gehandelt haben.
Wegen seiner Nähe zu einem Zweig der Seidenstrasse wurde der Ort nach dem Untergang des Klosters dann als Karawanserei genutzt. Sie war ein Haltepunkt und Schutzort gegen Schneestürme und Banditen für Karawanen und Reisende zwischen Kashgar in Xinjiang einerseits und dem Yssykköl-See in Kirgistan und dem Ferghanatal andererseits.
Am nächsten Morgen
In absoluter Ruhe und Dunkelheit geniessen wir die Nacht bei sternenklarem Himmel - eins mit der Natur. Ich stehe um 6 auf, weil ich den Sonnenaufgang nicht verschlafen will. Noch bin ich allein und steige den der Karawanserei gegenüberliegenden Hang hoch um die bald ins goldene Sonnenlicht getauchten Bergspitzen zu sehen.
Es dauert aber noch fast eine Stunde bis die Sonne, erst zögerlich, dann in voller Pracht, endlich über dem Berggrat erscheint. Bald ist das ganze Tal lichtdurchflutet und das Leben beginnt sich zu regen. Die Menschen steigen aus den WoMos und aus den Jurten. Die Rinder und Pferde werden aus dem Pferch gelassen und die Murmeltiere kommen aus ihren Höhlen.

Nach dem Frühstück fahren wir los. Für die 15 km bis zur Hauptstrasse brauchen wir wieder fast eine Stunde. Die Strassen sind nicht besser geworden, aber das Licht hat die Gegend verzaubert.
Die Hauptstrasse ist über eine lange Strecke fertiggebaut und entsprechend entspannend ist das Fahren.  Der Weg führt uns durch Dörfer, wo wieder Stutenmilch und -käse in Form von Golfbällen angeboten werden. Später, beim abendlichen Meeting, werden wir nochmals Gelegenheit haben, Milch und Käse zu probieren - ob sich unser Gaumen inzwischen mit dem ungewohnten Geschmack angefreundet hat?

Zwischendurch wird die Strasse wieder anstrengend und wir nehmen das Tempo zurück. Auf den Strassenzustand angesprochen, erklärt Emil, dass die Strassen zur Sovjetzeit in gutem Zustand waren. Aber nach der "Wende" wurden diese vernachlässigt. Es wurden keine Naturstrassen mehr ausgebaut und Strassenschäden wurden nur noch als Flickwerk ausgebessert. Jetzt, wo China strategische Interessen am Land und dem Transitweg hat, investiert der Nachbar viel um das Strassennetz auszubauen. Wie das Land zwischen Russland und China damit zurande kommt ist fragwürdig. Irgend wann wird einer oder beide Appetit nach den Bodenschätzen bekommen.
Back
Next
Um eine Kaffeepause zu machen, fahren wir von der Hauptstrasse weg und geniessen die Aussicht auf die umliegenden Berge. Vor uns liegen Sandhaufen, Überreste der für die untenliegende Siedlung gebauten Wasserleitung. Hier, in der unberührten Natur ist das Wasser in den Bächen und Seen glasklar und eigentlich auch geniessbar. Nachdem es aber ein Leichtes ist, Bidons mit Trinkwasser zu kaufen, verzichten wir auf den Genuss des Bergquells.
Es ist Mittag und der Hunger meldet sich. Abseits der Strasse kocht Vreni für mich Spaghetti - die ersten Spaghettis seit mehr als 8 Wochen! Sie haben göttlich geschmeckt.

Dann fahren wir den Dolon Pass auf 3030 Meter hoch. Auch hier fahren wir über weite Strecken auf Schotter. Dabei werden wir, wie auch in den vergangenen Tagen schon, von Lastern überholt, welche keine Rücksicht auf Staub oder fliegende Steine nehmen. Kurz vor der Passhöhe werden riesige Erdmengen bewegt um hier einen wintersicheren Übergang zu erstellen. Es scheint, als würde hier eine Autobahn gebaut.
Kurz nach der Passhöhe, auf einem alten und stillgelegten Strassenstück schlagen wir unser Lager auf. Vor Strassen- und Baulärm, durch einen Bergvorsprung geschützt, verbringen wir wieder eine Nacht in der Natur.